Billardtische, Pissoirplatten, Terrassenbeläge aus Schiefer? Wer tatsächlich meinte dass man mit Schiefer nur Dächer decken könnte irrt. Jahrhundertelang wurde das Material für vielfältige Anwendungen genutzt,  wobei der Absatz jedoch rein regional ausgerichtet war. Dies änderte sich erst mit Bau der Ruhrtalbahn, wodurch ein mengenmäßiger Absatz in größerem Maße in weitere Entfernung möglich war.

Das größte Schieferbergwerk im Nuttlarer Revier war die Grube Ostwig. Hier wurde außer dem gewöhnlichen Schiefer auch ausgezeichnetes Schiefermaterial für die Herstellung von verschiedensten Plattenwaren gewonnen. Im Produktkatalog standen so z. B.  Tischplatten. Billardplatten, Pissoirplatten, Fußleisten, Stromschalttafeln und das typische Werksteinprogramm heutiger Steinbrüche wie Bodenbelag (Flurplatten), Treppenstufen und vieles mehr und eben Dachschiefer.

Der Schieferbergbau in Nuttlar ist ein alter. 1709 sind Nuttlarer Schieferbrecher erwähnt. Der Schieferabbau geschah zu dieser Zeit noch fast ausschließlich in ausgedehnten Schieferbrüchen, in denen das Schieferlager an der Tagesoberfläche freigelegt wurde, und mit dem Abbau dem Lager in die Tiefe gefolgt wurde. Wo diese Schieferlager sehr steil lagen, wie auch im Bereich der Grube Ostwig, hatte das Unternehmen bald mit zwei Feinden zu kämpfen: Dem wachsenden Abraum, der bewegt werden musste, um das Lager weiter freizulegen und der Schwerkraft, denn der tiefe Tagebau erschwerte den Transport der Blöcke zu den Spalthäusern.

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Bevor die Industriezeit in Nuttlar ein neues Kapitel aufschlug, war auch im Nuttlar wie überall im Sauerland das Schürffieber ausgebrochen, da die Eisenbahn nach Nuttlar kommen sollte. So wurden nun auch die alten Schiefergruben, gemutet und auf Schiefer verliehen, denn Schieferabbau fiel in Westfalen bis 1865 noch unter das Bergregal.

Die Firma Gessner & Co gründete dann ein großes Schieferunternehmen, um an diesem Schürffieber teilzuhaben und sich einen großen Felderbesitz zu sichern. Als erstes großes Grubenfeld entstand aus der Vereinigung von 16 Grubenfeldern die Grube Ostwig. Mit dem Erwerb oder der Erschürfung weiterer Grubenfelder wurde der Besitz arrondiert.

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Um dem Tagebau der Grube Ostwig zu erweitern und wirschaftlicher zu betreiben, wurde 1867 im Tagebau ein neues Spalthaus gebaut und mit den modernsten englischen Bearbeitungsmaschinen ausgerüstet, die von einer Dampfmaschine angetrieben wurden.

Mit der Ruhrtalbahn, die ab 1873 auch Nuttlar anfuhr, ergab sich ein Absatzschwung, da die Grube in Nuttlar nun neben der Eisenbahn lag.   Daher wurde auch sofort die Maschinenanlage erweitert und die Produktion von Plattenschiefer wurde stark gesteigert.

Die hohen Kosten des Tagebaues belasteten jedoch die Bilanz der Grube und so wurde 1878 der Kaiser-Wilhelm-Stollen angefangen, um das Schieferlager zu unterfahren und den Transportweg ebenfalls zu vereinfachen. Nach und nach wurde der Tagebau verringert und der Abbau von nun an unterirdisch begonnen. Beim Weitervortrieb des Stollens wurden weitere Schieferlager angefahren, die nun ebenfalls in Abbau genommen wurden. 1892 war der Stollen fertig und erreichte eine Gesamtlänge von 251 m. Der Tagebau wurde nun stillgelegt; das Maschinenhaus dort abgebrochen..

Der Abbau geschah nun im Firstenbau, die Förderung konnte statt im Tagebau nach oben mit weniger Kraftaufwand nach unten und über den Stollen geschehen. Vor dem Stollen befanden sich die Spalthäuser, in denen die Schieferblöcke weiterverarbeitet wurden und direkt an der Chaussee entstand eine neue Produktion.

Im Gegensatz zu anderen Gruben , die sich abseits der Eisenbahn und Straße versteckt im Wald befanden, war der Absatz durch den naheliegenden Chaussee und den Eisenbahnanschluß viel einfacher und daher dieser Standort von großem Vorteil. So hatte die Grube zeitweilig an dem Sauerländer Plattenschieferabsatz den größten Anteil in Höhe von ca. 30 %.

Um nicht allen Abraum herausschaffen zu müssen, wurde das Gestein im ausgebrochenen Hohlraum aufgetürmt und mit Mauern versehen um Transportwege dazwischen freizuhalten. Diese Mauern sind heute noch ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass der Schieferbrecher als Künstler unter den Bergleuten genannt werden kann (frei nach Heinrich Schauerte).

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Die Grube florierte bis zum Jahre 1906. Durch die Bildung von Gewerkschaften und einsetzende Ausstände litt der Betrieb erholte sich dann aber wieder und erreichte in den Dreißiger Jahren seine größte Blüte. Im Krieg ging die Produktion zurück; im Bergwerk wurden Unterlagen aus dem Ruhrgebiet eingelagert. Nach dem 2.Weltkrieg erlebte der Schieferbergbau in Nuttlar nochmal eine Blüte.

Die Schieferbau Nuttlar AG betrieb neben der Grube Ostwig noch einige andere Nachbargruben. Doch konnte der Betrieb dort nicht so wie in der großen Grube modernisiert werden. Durch neue Konkurrenzprodukte auf dem Baumarkt ging der Absatz des Schiefers immer weiter zurück und so setzte auch im Sauerland ein Konzentrationsprozess ein, den die Schieferbau Nuttlar am längsten aushielt. Schließlich war 1984 auch in der Grube Ostwig Schicht.  Damit endete der Schieferbergbau in Nuttlar. Heute wird nur noch in Fredeburg in der Grube Magog Schiefer im Sauerland gefördert.

In 2014 wurde die Grube als Besucherbergwerk wieder eröffnet. Der Besucher fährt wie die alten Bergleute über den Stollen zu Fuß ein und besichtigt dann entlang der abgemauerten Abbaukammern durch unzählige Strecken das alte Bergwerk. Er erkundet dabei die Arbeitsweise der Schieferbrecher und entdeckt versteckte Schnapslager und Pausenräume.

Alles wird mit viel Liebe zum Detail von den beiden "Nuttlarer Bergleuten" erklärt. Aber auch der Bergbau der letzten Betriebsperiode ist noch erlebbar. Hier stehen an den Abbauflächen noch die Maschinen, wo mit Druckluft gearbeitet wurde. Vom Tiefbau haben sich Förderanlagen erhalten, die Tiefbaustrecken sind fast völlig abgesoffen und werden heute von den Bergwerkstauchern erkundet.

Der Link zum Besucherbergwerk: http://www.schieferbau-nuttlar.de/

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Fotos:

Christian Hoffmann.

Literatur:

Oberbergamt Bonn (Hrsg.) Beschreibung der Bergreviere Arnsberg, Brilon und Olpe sowie der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont. Bonn. , 1890:

Theodor Plümpe: Die Westfälische Schieferindustrie 1917 Leipzig

Otto Dr. Senft: In den Schiefergruben bei Nuttlar 1921

Heinrich Schauerte: Schieferbergbau im Sauerlande

Volker Wrede: Dachschieferbergbau im Sauerland